Reisen und Religion im (langen) 18. Jahrhundert

Reisen und Religion im (langen) 18. Jahrhundert

Veranstalter
Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Zusammenarbeit mit der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus und den Franckeschen Stiftungen zu Halle/Saale
Veranstaltungsort
Franckesche Stiftungen zu Halle/Saale, Franckeplatz 1
Gefördert durch
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
PLZ
06110
Ort
Halle/Saale
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
28.08.2022 - 31.08.2022
Von
Thomas Ruhland, Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Der VI. Internationale Kongress für Pietismusforschung hat sich als interdisziplinäre Tagung einer umfassenden Perspektivierung der komplexen Zusammenhänge von Reisen und Religion im langen 18. Jahrhundert verschrieben. Über 80 Vortragende differenzieren und strukturieren das weite Feld des frühneuzeitlichen Reisens und stellen damit die Schnittmengen ebenso wie Unterschiede von und in den Reisekulturen des 17. bis 19. Jahrhunderts heraus.

Reisen und Religion im (langen) 18. Jahrhundert

Reisen und Religion in ihren unterschiedlich gestalteten Verhältnissen im langen 18. Jahrhundert zum Gegenstand des VI. Internationalen Kongresses für Pietismusforschung zu machen, hat neben gewichtigen inhaltlichen Gründen zunächst eine schlichte sprachgeschichtliche Anregung: Religion und Reise bzw. Reisen verweisen mit ihren lateinischen sowie alt- und mittelhochdeutschen Etymologien auf Bewegungspraktiken und -richtungen im Raum und Zeit, zwischen Abkunft und Ankunft, Lösen und Binden, Steigen und Fallen. In religiösen Darstellungs- und Deutungskontexten werden das Leben des Menschen als eine Reise und der Mensch als ein Reisender beschrieben, was die aus der heidnischen Antike hergenommene, christlich eingebürgerte Formel vom homo viator anzeigt.

Der Kongress fragt nach Religion und Reisen in ihren besonderen Verbindungen während des langen 18. Jahrhunderts als Zeitraum eines vielgestaltigen Aufbruches in neue Räume, zu neuen Naturen und Kulturen. Zu den dabei treibenden, dynamischen und dynamisierenden, Kräften gehörten im Alten Reich reformorientierte Frömmigkeitsbewegungen, für die sich historiographisch die Begriffe Pietismus und Aufklärung eingebürgert haben, die hier ohne essentialistische Überhöhung heuristisch verwendet werden sollen.

In 14 inhaltlich und regional strukturierten Sektionen werden über 80 internationale Wissenschaftler:innen in vier parallelen Panels die Thematik in einer umfassenden Bandbreite diskutieren. Dabei werden die Globalität des Reisens, Logistik und Netzwerke genauso Beachtung finden wie Frömmigkeit und Alltagsroutinen auf Reisen, Reisen ins "Geisterreich" ebenso wie in die Arktis, darüber hinaus die materielle Kultur des Reisens, seine künstlerische Verwertung sowie literarische Darstellung und vieles mehr.

Die Veranstaltung findet in Präsenz statt, um vorherige Anmeldung wird gebeten.

Programm

Eröffnungsvortrag
Sonntag, 28. August
18.00 –19.00 Axel E. Walter (Eutin/Vilnius, Litauen)
Konfessionelle Reiseführer der Frühen Neuzeit

Hauptvorträge
Montag, 29. August
9.00 – 9.45 Peter Yoder (Montreat, NC, USA)
Encountering Exodus in Lutheran and Reformed Pietism
9.45 – 10.30 Jenny Haase (Halle)
Natur/Denken auf Reisen. Jesuitische Missionen und indigenes Wissen in Südamerika (18. Jahrhundert)
Dienstag, 30. August
9.00 – 9.45 Julian Strube (Wien, Österreich)
Mobilität und globale Verbindungen im kolonialen Kontext: Rammohan Roy und die Entstehung der vergleichenden Religionswissenschaft
9.45 – 10.30 Paul Peucker (Bethlehem, PA, USA)
Eine Herrnhuter Theologie des Reisens
Mittwoch, 31. August
9.00 – 9.45 Judith Becker (Berlin)
Die doppelte Konstruktion der Dichotomie von „Mann“ – „Frau“ und „Eigenem“ – „Anderem“ in Reise und Begegnung. Die deutschsprachige evangelische Mission in Indien im frühen 19. Jahrhundert
9.45 – 10.30 Katharina Wilkens (Leipzig)
Pilger- und Reiseberichte aus Westafrika um 1830

Gendered Journeys
Montag, 29. August
11.00 –11.30 Julia Schmidt-Funke / Xenia von Tippelskirch
Gendered Journeys. Zur Einführung
11.30 – 12.00 Jan-Hendrik Evers
Das „weibs stück“ auf Reisen – Zum Rollenbild der reisenden Frau im Spiegel der Selbstzeugnisse hallischer Pastoren in Nordamerika
12.00 – 12.30 Irina Saladin
Konkurrierende Männlichkeiten am Amazonas. Geschlechtergeschichtliche Perspektiven auf Entdeckungs- und Eroberungsnarrative in jesuitischen Wissensmedien
14.00 – 14.30 Jessica Cronshagen
„Meine Frau hat sich recht männlich betragen“ – Die Zuschreibung „männlicher“ und „weiblicher“ Praktiken in Reiseberichten durch unterschiedliche Naturräume. Die Herrnhuter Missionsehepaare Borck und Horn über ihre Reisen durch Surinam und Europa (ca. 1790 – 1814)
14.30 – 15.00 Benjamin Pietrenka
Virtual Bodies in Transit: Moravian Gemeintag Meetings and New Protestant Pastoral Authorities, 1738 – 1746

Nachbereitung und Verwertung
Montag, 29. August
11.00 –11.30 Susanne Lang
Das Dilemma des Künstlers beim Illustrieren eines Reiseberichts
11.30 – 12.00 Liliana Lewandowska
Pietisten-Bilder. Eine antipietistische Deutschlandreise Samuel Schelwigs, dargestellt anhand seines Reiseberichts Itinerarium Antipietisticum (1694)
12.00 – 12.30 Thomas Ijewski
Pilgrimage by Sea and Land: Johann Christian Stahlschmidt’s Travelogue as a Pietist’s Biography
14.00 – 14.30 Martina Narman
Reisen als Antrieb für ökumenische Gedanken und ein friedliches interreligiöses Zusammenleben am Beispiel der Werke von Emilie Loyson-Meriman (1833 – 1909)
14.30 – 15.00 Paula Göbel-Lange
A. H. Niemeyers Reisen im Spiegel seiner Ämter und Rollen
15.00 – 15.30 Christoph Nebgen
„Wie hältst Du es mit der Religion auf Reisen?“ – Goethes Beobachtungen im Kontext der aufgeklärten Reiseliteratur
16.00 – 16.30 Beatrice Berselli
Joseph von Eichendorff’s Aus dem Leben eines Taugenichts as Bildungsroman thanks to the journey and its therapeutic function
16.30 – 17.00 Anett Lütteken
Allegorische(s) Reisen – „kürzer erzählt“. Zu einigen Spezifika der frühen deutschsprachigen Rezeption von John Bunyans The Pilgrim’s Progress
17.00 – 17.30 Daniel Weidner
Topographien des Glaubens: Der Methodismus und der englische Roman im 18. Jahrhundert

Forschungsreisen
Montag, 29. August
11.00 –11.30 Tatjana Feklova
From Sporadic to Regular: The Academy of Sciences and the Documentation of Expeditions in the 18th and first half of the 19th Century
11.30 – 12.00 Olga Trufanova
Food Practices in the Texts of the Second Kamchatka Expedition
12.00 – 12.30 Yvonne Kleinmann
„About Faith and other Customs“: The Second Kamchatka Expedition as a Religious Irritation
14.00 – 14.30 Julia Herzberg
Exploring the Frost. Theory and Experience of Cold in the Russian Empire of the 18th Century
14.30 – 15.00 Joanna Kodzik
Die europäische Arktis aus der Sicht der Herrnhuter: Kulturelle Mobilität in den Reiseberichten aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
15.00 – 15.30 Sünne Juterczenka
Erbauliches Reisen auf dem Papier: Religiöse Lesarten von Forschungsexpeditionen des 18. Jahrhunderts
16.00 – 16.30 Michael Leemann
Aus Erfahrung. Reisen, Herrnhuter Missionspublizistik und Naturgeschichte im 18. Jahrhundert
16.30 – 17.00 Jana Kittelmann
Der Natur auf dem Fuß nachgehen. Naturkundliche Wanderungen und ihre publizistische Verwertung im 18. Jahrhundert

Pietistisches Reisen in Skandinavien
Montag, 29. August
11.00 –11.30 Per von Wachenfeldt / Martin Åberg
The diaspora workers and the people who followed them. Roads to Herrnhut and the Savior ca. 1740-1815
11.30 – 12.00 Sigrid Nielsby Christensen
The Moravian Society in Copenhagen and their local use of the global practice of watch words
14.00 – 14.30 Tine Reeh
“All the paths of the LORD are mercy and truth”. Three dimensions of Henrik Gerner’s unintended trajectory
14.30 – 15.00 Hanne Sanders
Travelling as an important part of the Moravian organisation
15.00 – 15.30 Christer Ahlberger / Johan Åhlfeldt
Moravian travel experience in dreams, metaphors and images. On the use of Digital Humanities methods and cognitive theory in analyzing 18th century Scandinavian Moravian memoirs

Reglementierung von Mobilität
Montag, 29. August
16.00 – 16.30 Otto Teigeler
Abgebrochene Reisen – Das Debakel der Herrnhuter in Russland zu Lebzeiten Zinzendorfs
16.30 – 17.00 Corinna Kirschstein
„Muthwilliges Umlauffen“. Mobilität als Laster
17.00 – 17.30 Julian Lahner
Ein Ex-Mönch auf Umwegen: Philipp Nerius Purls Statement gegen den Josephinismus

Dinge auf Reisen
Montag, 29. August
16.00 – 16.30 Stefano Saracino
Dinge auf Reisen im pietistisch-osmanischen Austausch
16.30 – 17.00 Daniel Haas
Das Osmanische Reich im Gepäck: Materielle Spuren einer Reise von Stephan Schultz in den Sammlungen der Franckeschen Stiftungen
17.00 – 17.30 Katherine Faull
Tracing Moravian Manufacture, Material Objects and Religious Mission: Transatlantic Textile Journeys

Im Gepäck – Planung und Logistik
Dienstag, 30. August
11.00 –11.30 Ulrike Gleixner
Attention Vital! Advices and Packing Lists for Missionaries traveling to India
11.30 – 12.00 Nadine Amsler
Packing Bags for China: Early Modern Jesuits’ Travel Preparations between Personal Choice and Corporate Logistics
12.00 – 12.30 Felicita Tramontana
Supplying the Mission. The Reformed Franciscans in Palestine and the arrival of friars, food and daily objects (17th century)
14.00 – 14.30 Christina Petterson
Tools, baggage, and organisational changes. Moravian missionaries and their accessories
14.30 – 15.00 Carolin Sachs
„GOtt hat auch den Menschen / zum Wandern / Wandeln und Bewegen / mit Augen und Füssen versehen. On the issue of religion and confession within early apodemic writings
15.00 – 15.30 Peter Vogt
“Pious innkeeper and godly tavern”. Concepts of hospitality and the accommodation of visitors in 18th century Moravian settlements

Europa – Koexistenzen, Konkurrenzen und Konversionen
Dienstag, 30. August
11.00 –11.30 Alexander Schunka
Die Gleichgesinnten und die Anderen: Reisen und innerchristliche Kontaktaufnahmen im Umfeld des frühen Halleschen Pietismus
11.30 – 12.00 Lennart Gard
Besuch von der Konkurrenz? August Hermann Franckes Reise in die Niederlande und seine Begegnung mit Johann Wilhelm Überfeld (1705)
12.00 – 12.30 Sebastian Kühn
Von den Schwierigkeiten, sich abzugrenzen. Cyprians Reise in die Niederlande 1704
14.00 – 14.30 Adelisa Malena
“Ever since my youth I have wished to talk and travel”. Heinrich Wilhelm Ludolf in Italy: Networks, Projects and Universal Church at the turn of the 17th and the 18th Century
14.30 – 15.00 Wacław Pagórski
„Wie die Eule unter den Krähen“? Konfession und Wahrnehmung während der Reisen deutscher Protestanten durch Polen im 17. Jahrhundert
15.00 – 15.30 Wolfgang Breul
„Wenn ich mitten in der Angst wandele …“ – Die Reise des Herrnhuters Johannes Czolsch 1783 ins königliche Ungarn
16.00 – 16.30 Thomas Kuhn
,Korrespondierende Pietisten‘ unterwegs – Reisen und Reiseberichte aus dem Umfeld der Deutschen Christentumsgesellschaft im frühen 19. Jahrhundert
16.30 – 17.00 Ruth Albrecht
Reisen im Auftrag der Judenmission: Hamburg als Ziel und Ausgangspunkt

Reisende Religion – Asien
Dienstag, 30. August
11.00 –11.30 Fred van Lieburg
Fromme Globetrotter: Die niederländischen Indien-Kompanien als Vehikel des Pietismus
11.30 – 12.00 Benno Herr
The Derwish of the Christians zwischen Heimat und Fremde – religiöse Positionierungen im Reisebericht Joseph Wolffs (1795 – 1862)
12.00 – 12.30 Giulia Speciale
Die Missionsreisen der Rheinischen Missionsgesellschaft auf Borneo im 19. Jahrhundert
14.00 – 14.30 Catherina Wenzel
Die Bedeutung von Reiseberichten des 19. Jahrhunderts in The Christian-Muslim Relations Projects (CMR1900), am Beispiel von Band 22 (Central and Eastern Europe)
14.30 – 15.00 Sabine Wolsink
Orientalischer Poet, christlicher Apologet. Die Faszination für den Orient bei Isaäc da Costa und August Tholuck
15.00 – 15.30 Thomas Hahn-Bruckart
Reisen ‚Erweckter‘ nach Palästina im 19. Jahrhundert

Wirklichkeit und Imagination
Dienstag, 30. August
11.00 –11.30 Jonathan Strom
Travel as a Constitutive Element of Pietist Conversion Narratives
11.30 – 12.00 Urban Claesson
Innere Reisen – verschiedene Wege von Heilsordnungen in schwedischen Editionen des Kleinen Katechismus
12.00 – 12.30 Jan Stievermann
„Wenige sich darum bekümmern, was jenseits des Meeres ist“: Traversing the Globe in August Hermann Francke’s 1724 Lecture on Cotton Mather
14.00 – 14.30 Holger Zaunstöck
Reisen in das Land der Providenz. Die Instruktionen für Herumführer in den Glauchaschen Anstalten von 1741
14.30 – 15.00 Alessandro Nannini
A Pilgrimage to Truth. Aesthetics as methodos in Alexander G. Baumgarten
16.00 – 16.30 Thomas Noack
Emanuel Swedenborg. Ein Reisender in beiden Welten
16.30 – 17.00 Veronika Albrecht-Birkner / Stefanie Siedek-Strunk
Reisen in die Zwischenwelt. Johann Heinrich Jung-Stillings Szenen aus dem Geisterreiche

Herrnhuter Reisen in Amerika
Dienstag, 30. August
16.00 – 16.30 Craig Atwood
“I would walk 500 miles”: The Journey of the Moravian Single Sisters from Pennsylvania to North Carolina in 1766
16.30 – 17.00 Ann-Catherine Wilkening
Tracing Indigenous Moravians’ Kinscape Journeys in the 18th century North American Northeast

(Zwangs)Migration in der Literatur
Dienstag, 30. August
16.00 – 16.30 Frederike Middelhoff
„Opfer ihrer Meynungen, alte aus Frankreich vertriebene Priester“. Glaubensflüchtlinge und Zwangsmigration im Spiegel der Rhein-Main-Romantik
16.30 – 17.00 Dragana Grbić
Begegnungen der deutschen und serbischen Wanderer in der Literatur des 18. Jahrhunderts
Mittwoch, 31. August
11.00 –11.30 Christoph Schmitt-Maaß
Kritik der reisenden Vernunft. Zimmerreiseliteratur und Säkularisierungsthese
11.30 – 12.00 Thea Sumalvico
Von sinnlichen Ceremonien, Priestergewalt und katholischer Physiognomie. Friedrich Nicolais Katholikenbild in seinen Reisebeschreibungen
12.00 – 12.30 Stefan Borchers
Christian Wolff auf der Flucht. Die unfreiwillige Reise des Philosophen von Halle nach Marburg

Herrnhuter Seereisen und Digital Humanities
Mittwoch, 31. August
11.00 –11.30 Gisela Mettele
Pilger:innen auf schwankendem Boden. Meereserfahrungen in der Herrnhuter Brüdergemeine im 18. Jahrhundert
11.30 – 12.00 Marita Gruner
Lebensgefährliches Reisen – Seenot und Schiffbruch einiger Herrnhuter:innen 1783/83
12.00 – 12.30 Martin Prell
Potentiale der Digital Humanities für eine vernetzte Pietismusforschung

Bildungsreisen
Mittwoch, 31. August
11.00 –11.30 Paul Philipp Beckus
„… daß also dieser letzte Bekehrungs-Effect so vergeblich war, als die vorigen“. Interkonfessioneller Austausch als Teil der Herrschererziehung am Beispiel der Kavaliersreise des Grafen Heinrich XI. zu Reuß-Greiz
11.30 – 12.00 Jan Martin Lies
Die Kavalierstour Heinrich Ernsts von Stolberg-Wernigerode 1738: Transformation in der Adelskultur
12.00 – 12.30 Thomas Grunewald
Der Graf auf Reisen. Netzwerke und männliche Weltbildung im 18. Jahrhundert

Kontakt

Anngeret Jummrich
annegret.jummrich@izp.uni-halle.de
Dr. Thomas Ruhland
thomas.ruhland@izp.uni-halle.de

https://izp.uni-halle.de/veranstaltungen/pietismuskongress_2022/